„Ich hörte einen lauten Knall, nahm einen stechenden Geruch wahr und habe das Labor sofort verlassen. All meine Kollegen sind aber noch da. Bitte helfen Sie uns schnell!“
Das waren auch schon alle Informationen, die der Einsatzleiter von einer unter schock stehenden Laborantin bei einer Übung des Gefahrstoffzuges im alten Chemie-Gebäude der Philipps-Universität auf den Lahnbergen erhalten hat. Noch während der Erkundung, ließ der Einsatzleiter die ersten Einheiten den alten Fachbereich aus dem Bereitstellungsraum anfahren. Im weiteren Verlauf konnte der Einsatzleiter den Labor-Unfall im 2. Obergeschoss von außen über die umlaufenden Balkone erkunden und so die nachrückenden Einheiten besser koordinieren. Sofort wurde eine Menschenrettung eingeleitet, wobei zunächst auf das Ausrüsten mit Chemikalienschutzanzügen (kurz: CSA) verzichtet wurde, sodass sich der Angriffstrupp lediglich mit umluftunabhängigen Pressluftatmern (PA) vorging. So konnten schnell die ersten beiden verletzten Personen aus dem Gebäude gerettet und dem Rettungsdienst nach einer Notdekontamination übergeben werden. Bei einer solchen Notdekontamination werden Kontaminationen mit Gefahrstoffen, soweit es uns möglich ist, entfernt, sodass die verletzte Person im Idealfall nicht weiter geschädigt wird. Kurz danach war die Aufregung jedoch wieder groß. Als der erste Trupp unter CSA zur Stofferkundung vor ging, fiel der eingangs erwähnten Laborantin auf, dass ihr Freund das Gebäude noch nicht verlassen hatte. In der Folge wurde parallel zum CSA-Trupp ein weiterer Trupp mit PA vorgeschickt um die dritte Person schließlich erfolgreich zu retten. Die weitere Stofferkundung hat schließlich ergeben, dass ein Gebinde von etwa 1 kg Dikaliumperoxodisulfat verschüttet wurde und in unmittelbarer nähe hierzu ein deutlich kleineres Gebinde Silbernitrat, welches gefährlich mit diesem Stoff reagieren kann, offen herum lag.
Während der Erkundungsmaßnahmen der CSA-Trupps kam es jedoch unglücklicherweise zu einem weiteren Unfall. Ein Feuerwehrmann im Chemikalienschutzanzug riss sich einen Schutzhandschuh auf, kontaminierte sich mit dem Gefahrstoff und wurde aufgrund einer Panikreaktion ohnmächtig. Sofort wurde durch die weiteren drei CSA-Träger eine Notfallrettung durchgeführt, sodass ihr Kamerad schnell einer Dekontaminationseinheit am Haupteingang des alten Chemie-Gebäudes übergeben und gerettet werden konnte.
Der Gefahrstoffzug der Stadt Marburg bedankt sich recht herzlich bei der Philipps-Universität Marburg, dass es uns ermöglicht wurde, einen solchen Laborunfall in diesem Gebäude zu erproben. Gerade die Vorkommnisse einen Tag zuvor, an dem sich ein Chlorgasaustritt im neuen Gebäude des Fachbereichs Chemie mit mehreren verletzten Studenten ereignete, zeigt, wie wichtig es ist, solche Situation zu üben. Weiterhin möchten wir uns bei den Jugendfeuerwehren Marburg-Mitte, Ockershausen und Marbach bedanken, die die Unfallopfer stellten.